Er hat es nicht weit: Heino Prieß steht hier vor seiner Wohnung an der Friedewalder Straße. Im Hintergrund ist Autohaus Meier zu sehen. Das Unternehmen, für das er fast ein halbes Jahrhundert lang gearbeitet hat. Foto: Jürgen Krüger

Friedewalde. Wehrpflichtige kennen das Maßband. Und das dazugehörige Lied nach der Melodie von Jingle Bells natürlich auch: „Oberfeld, Oberfeld, hörst du das Geläut. 57 Tage noch und den Rest von heut“. Auch Heino Prieß hatte damals, als er bei der Bundeswehr war, ein solches Maßband. Und jetzt hat er wieder eines. Damit zählt er die Tage bis zu seinem Rentenbeginn herunter. Am Donnerstag, 30. November 2023, ist es soweit. Dann endet sein Berufsleben nach fast einem halben Jahrhundert bei Authohaus Meier. Genau sind es 48 Jahre und vier Monate, plus drei Wochen Praktikum in der 9. Klasse der Hauptschule Petershagen. „Eine lange Zeit“, sagt er 64-Jährige.

Nur 100 Meter bis zur Firma

Und noch etwas ist besonders: Sein Weg zur Arbeit ist keine 100 Meter lang. Heino Prieß wohnt mit seiner Lebensgefährtin Rita nämlich in einer Eigentumswohnung (zweiter Stock), die er 1997 seinem Freund Volker Drees abgekauft hat. Es ist das Haus, in dem Friseurin Nicole Ruhe im Erdgeschoss ihren Salon hat und die Bäckerei Ledig ihr Geschäft hatte, das aber seit einiger Zeit leer steht. Geboren ist Heino Prieß auch nur 100 Meter vom Autohaus Meier entfernt. Allerdings in die andere Richtung, im Haus der Familie Stehr. Er ist also ein waschechter Friedewalder, und das mit Überzeugung.

Nur einmal, als er nach der Lehre seinen Wehrdienst in Hamburg absolvierte und an Panzern herumschraubte, habe er überlegt, zu gehen. „Aber Hamburg war mir zu weit weg“, gibt Heino Prieß zu. Auch die Möglichkeit, sich bei den Mindener Pionieren zu verpflichten, verwarf er. Und so landete Heino Prieß nach dem Wehrdienst bei seinem Ausbildungsbetrieb – Autohaus Meier.

Von den Eltern unterschrieben: Der Vertrag zur Ausbildung als Kraftfahrzeugmechaniker vom 1. August 1975 bis zum 31. juli 1978. Foto: Jürgen Krüger

„Bernhard Brehmer war ein toller Mensch“

Schon damals radelte er mit dem Fahrrad zur Arbeit, denn seine Eltern hatten ein Haus am Pastorenfeld. Heino Prieß weiß noch, wie der damalige Inhaber und Geschäftsführer Bernhard Brehmer ihn und Ingo Weber, dem zweiten neuen Lehrling, am Montag, 4. August 1975, den Betrieb gezeigt und sie mit Fragen gelöchert hat. „Bernhard Bremer war ein toller Mensch“, sagt Heino Prieß rückblickend. „Er kam jeden Montag in die Werkstatt, klimperte mit Wallnüssen in der Hosentasche herum und fragte uns, was wir am Wochenende gemacht haben“. Ausbildungsmeister war Heinz Fricke, der kurze Zeit davor Rudi Kruse (Schroams) als Meister abgelöst hatte.

Goggomotoren in den NSU Prinz gebaut

Zu der Zeit hatte Autohaus Meier eine Schmiede und neben Marken wie Ford, Glas und BMW eine NSU-Vertretung. NSU gehörte seit 1969 zu Audi. Die ersten Modelle, an denen Heino Prieß gearbeitet hat, waren der NSU Prinz und der NSU Ro 80, der wegen seines futuristischen Designs und seines Kreiskolbenmotors im Jahr 1967 zum „Auto des Jahres“ gewählt wurde. Außerdem hatte Autohaus Meier ein Patent. „Wir haben Goggomotoren in den NSU Prinz IV eingebaut. Der Goggomotor war ein Zweitakter mit zwei Zylindern und 250 Kubikzentimetern Hubraum, und dafür brauchte man keinen Autoführerschein“, verrät Heino Prieß. Prinz und Goggo hatten den Motor übrigens hinten. Nach der Vertriebskooperation zwischen Volkswagen und Audi wurde Autohaus Meier V.A.G-Vertragshändler für Volkswagen und Audi. Neue Modelle wie VW-Käfer, VW-Golf, K70 oder Audi 100 hielten Einzug in die Werkstatt.

Damit änderte sich auch das Anforderungsprofil an die Mitarbeiter, die begannen, sich zu spezialisieren. Heino Prieß trat 1985 in die Fußstapfen von Manfred Döbler als Fachmann für Getriebe. Das ist er bis heute. Mit der Arbeit von früher sei die heutige nicht mehr zu vergleichen, der technische Fortschritt gewaltig. „Um einen Käfer-Motor auszubauen, brauchte man früher nur fünf Kabel zu lösen. Heute gehen allein an das Motor-Steuergerät geschätzt 80 Kabel. Das ist unvorstellbar“, verdeutlicht Heino Prieß die Entwicklung.

Das Maßband: Hier zeigt es noch 57 Tage bis zum Rentenbeginn an. Foto: Jürgen Krüger

Nach dem Renteneintritt 520-Euro-Job im Visier

Wenn Heino Prieß am 30. November 2023 den letzten Abschnitt mit der Zahl 1 von seinem Maßband vernichtet, dann soll das aber nicht das endgültige Ende für Arbeit an sich sein. Der dreifache Großvater möchte sich gerne einen 520-Euro-Job besorgen. Möglicherweise bleibt er sogar bei Autohaus Meier. „Um in Rente gehen zu können, musste sich bei Autohaus Meier kündigen. Das war die erste Kündigung, die ich in meinem ganzen Leben geschrieben habe“, sagt Heino Prieß. In den nächsten Tagen werde er sich mit Geschäftsführer Marcel Borm zusammensetzen, um die Möglichkeiten der weiteren Zusammenarbeit zu besprechen. Dann wird er vielleicht auch künftig weiter die rund 100 Meter zu Fuß zu seiner Werkstatt laufen. Allerdings nicht mehr so häufig. Denn mit seiner Rita möchte Heino Prieß jetzt öfter mit dem Wohnwagen Berge und Meer besuchen und dort ausgiebig E-Bike fahren.

6 Gedanken zu „Der Countdown läuft“
  1. Lieber Heino,
    auch wir möchten schon jetzt die Gelegenheit nutzen, um von Herzen für die langjährige und engagierte Mitarbeit im Autohaus Meier zu danken.
    Deine Loyalität und dein Engagement sind beispielhaft.
    Wir wissen, dass Du in den vergangenen Jahren viel für unser Unternehmen gegeben hast und schätzen deine Arbeit sehr. Wir sind dankbar für die Zeit und wir freuen uns auf alles was noch kommt.
    Wir sind stolz, Dich in unserem Team zu haben.

    Annette Berane, Hanni Berane-Borm & Marcel Borm

  2. „Unvorstellbar“ ist eines der Lieblingsworte meines Freundes Heino. Unmöglich oder geht nicht kommt im seinem Wortschatz nicht vor. Der Bursche repariert einfach alles auf 4 Rädern.
    Freu dich auf den Ruhestand. Wird stressig genug…
    Und das Autohaus Meier ein gleichwertigen Ersatz für dich findet ist schlicht unvorstellbar!!

  3. Auf einer Fahrt in die Schweiz zu unserem Kumpel Volker, hat Heino mir das Cockpit an meinem Auto erklärt. Das ich davon so wenig Ahnung hatte, hätte ich echt nicht geglaubt.

    „Priesso“ weiß soviel über Autos, unvorstellbar!

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