Alles hat seine Zeit

Selfie: Dirk Schwier (links) und Cord Mohrhoff im Gerry-Weber-Stadion in Halle/Westfalen. Foto: Cord Mohrhoff

Von Michael Lorenz

Friedewalde. Das letzte Heimspiel der vergangenen Saison von Handball-Bundesligist GWD Minden hatte es aus mehrerlei Hinsicht in sich. Zum einen schaffte die Mannschaft von Trainer Frank Carstens am 24. Juni 2021 in der Kreissporthalle Lübbecke nach spektakulärem Spielverlauf den Klassenerhalt. Zum anderen war das 24:24 gegen die Eulen Ludwigshafen das letzte Heimspiel von Rekordtorjäger Christoffer Rambo nach siebeneinhalb Jahren in Minden. Und es war das letzte Bundesligaspiel der Friedewalder Zeitnehmer Cord Mohrhoff und Dirk Schwier.

Trennung nach Handball-WM

Cord Mohrhoff begann seine Schiedsrichterlaufbahn im Jahr 1986 an der Seite von Magnus Treichel. Nach einer Knieverletzung des heute 50-jährigen Mohrhoff wechselten die beiden im Jahr 2004 zurück zu den Zeitnehmern. Bei der Weltmeisterschaft, die Deutschland im eigenen Land 2007 gewann, wirkten die beiden mit. Treichel und Mohrhoff trennten sich nach der WM und Mohrhoff fand in Dirk Schwier einen neuen Partner. Cord Mohrhoff erinnert sich an viele Schiedsrichtergespanne wie Geipel/Helbig, Immel/Klein oder Gremmel/Gremmel, besonders gerne aber an die Methe-Zwillinge: „Die waren sehr Zeitnehmer-affin. Ihr Unfalltod im Jahr 2011 hat uns alle besonders hart getroffen“.

An eine besondere Begebenheit in der Lübbecker Merkur-Arena denk Mohrhoff lachend zurück: „Bundesschiedsrichterwart Peter Rauchfuß war in der Halle, aber es gab keinen Stuhl für den dritten Offiziellen. Ich habe ihm meinen gegeben, und ich habe dann das Spiel im Stehen bestritten. Das gefiel Peter Rauchfuß so gut, dass fortan alle Zeitnehmer die Spiele im Stehen bestreiten mussten. Nach ein paar Wochen wurde das aber wieder aufgehoben.“

Mit Maske: Cord Mohrhoff während der Halbzeitpause in der Lübbecker Kreissporthalle. Foto: Jürgen Krüger

Im Umkreis von 200 Kilometern unterwegs

Das Einsatzgebiet des Gespanns Mohrhoff/Schwier beschränkte sich keineswegs auf den Mühlenkreis: Der Einsatzradius betrug rund 200 Kilometer. Cord Mohrhoffs Sympathien im Handball sind klar verteilt: „Ich fiebere mit den Teams aus Stemmer und Friedewalde mit, ansonsten bin ich neutral. Ich wollte immer gerne gute Handballspiele und taktische Varianten sehen, das hat mich interessiert.“

Dennoch hat er in den vielen Jahren bei GWD etliche Spieler erlebt, die ihm in bleibender Erinnerung geblieben sind. „Da ist etwa Dalibor Doder. Die meisten Spieler erkennen einen außerhalb der Hallen nicht, Doder hingegen hat auch in der Stadt immer freundlich gegrüßt. Aleksandar Svitlica übrigens auch. Talant Dujshebaev war ein ganz großer. Da seine Frau Olga bei uns in Stemmer spielte, war er bei den Heimspielen oft zugegen, und zwar ohne den geringsten Anflug von Arroganz.“

Nationaltorwart nimmt Auszeit

Als Zeitnehmer kommt es in vielen Handballspieler zu kniffligen Entscheidungen darüber, zum Beispiel ob ein Ball vor, oder erst nach der Schluss-Sirene im Tor war. In besonderer Erinnerung hat Cord Mohrhoff aber eine Auszeit bei einem Qualifikationsspiel Deutschland gegen Polen geblieben: „Trainer war Martin Heuberger. Torwart Silvio Heinevetter hat ihm einfach die Grüne Karte aus der Hand genommen und zur Auszeit gelegt. Unglaublich.“

Entspannt: Cord Mohrhoff und Dirk Schwier kurz vor dem Spiel in der 2. Handball-Bundesliga zwischen dem TuS N-Lübbecke und dem Dessau-Roßlauer HV (31:22) am Freitag, 11. Juni 2021. Foto: Jürgen Krüger

“Das Zwischenmenschliche ist verloren gegangen”

Ober er die Handballspiele vermissen wird? „Nach so langer Zeit sicherlich. Am Ende war es aber eher so, dass ich am Zeitnehmertisch zwar funktioniert habe, mich aber nicht mehr richtig motivieren konnte. Früher gab es nach den Spielen so etwas wie eine dritte Halbzeit. Da haben wir mit den Schiedsrichtern noch ein Bierchen getrunken und die Spiele Revue passieren lassen. Da gehörte einfach dazu. Das haben sie von höchster Stelle leider stark reglementiert, dadurch ist das Zwischenmenschliche verloren gegangen.“