Kämmerer: “Hebesätze werden steigen”

Hüter der Finanzen: Stefan Sander, Kämmerer der Stadt Petershagen, hier an seinem Schreibtisch im Rathaus Lahde. Foto: Jürgen Krüger

Petershagen. Die Grundsteuerreform befindet sich in letzten Zügen ihrer Umsetzung. Die Bescheide für den Grundsteuerwert und den Grundsteuermessbetrag sind an die Eigentümer von Grundbesitz versendet. Jetzt fehlen nur noch die Hebesätze der Kommunen, und die Bürgerinnen und Bürger werden wissen, wie hoch ihre zu zahlende Grundsteuer ab dem 1. Januar 2025 sein wird. Auch wenn noch nicht alle Daten vorlägen, so sei eine Tendenz erkennbar, wie Stefan Sander sagt. “Die Hebesätze werden steigen”, so der 58-jährige Kämmerer der Stadt Petershagen.

Steigerung um 100 Punkte ein grober Richtwert

Doch, um wie viel? Auch hier könne er nicht konkret werden, aber die vorhandene Datenlage sei so stabil, dass eine Erhöhung um 25 Prozent (ca. 100 Punkte) für eine grobe Schätzung durchaus geeignet sei. Momentan liegt der Hebesatz für die Grundsteuer A (Land- und Forstwirtschaft) bei 300 Prozent, für die Grundsteuer B bei 550 Prozent. Die neuen Hebeseätze könnten sich dann bei 400 Prozent (Grundsteuer A) und 650 Prozent (Grundsteuer B) einpendeln. “Die exakten Hebesätze kann ich erst errechnen, wenn alle Daten da sind”, mahnt Sander. Die Daten bekomme er vom kommunalen Rechenzentrum in Lemgo als Betreiber der Veranlagungssoftware und würden voraussichtlich erst im Herbst 2024 von ihm bearbeitet werden können. “Wir brauchen dafür eine neue Softwareversion”, sagt Sander. Allerdings liegen jeder Kommune “grobe Simulationen” aus Lemgo vor, von denen sich die Tendenz zu höheren Hebesätzen ableiten lassen.

Die Bürgerinnen und Bürger von Friedewalde und Petershagen können mit den oben genannten Hebesatz-Schätzwerten jetzt schon überprüfen, wie hoch ihre Grundsteuer ab dem 1. Januar 2025 ungefähr sein wird und diese mit dem Wert im Bescheid über Grundbesitzabgaben von 2024 vergleichen. Dann wissen sie, ob sie mehr zahlen müssen, weniger oder in etwa gleich viel.

Der Fahrplan bis zu den Bescheiden über die Grundbesitzabgaben 2025: Die neuen Hebesätze würden im Herbst 2024 zunächst im Haupt- und Finanzausschuss beraten und in der Haushaltssatzung festgeschrieben. Der Rat der Stadt Petershagen müsste anschließend die Haushaltsatzung für 2025 beschließen. Das werde vermutlich in der Ratzssitzung im März 2025 der Fall sein. Erst danach würde die Stadt Petershagen die Bescheide über die Grundbesitzabgaben versenden.

Wohneigentümer werden belastet, Eigentümer von Geschäftsgrundstücken entlastet

Und wie die Bürgerinnen und Bürger dann reagieren, wird man sehen. Die Anhebung der Hebeseätze dürfte nach Jahren der Stabilität vermutlich wenige Diskussionen auslösen, wohl aber die neue Struktur der Besteuerung. Bei den verwendeten Berechnungsmethoden werden Eigentümer von Geschäftsgrundstücken nämlich massiv entlastet (teilweise um bis zu 60 Prozent), während Eigentümer von Ein- und Zweifamilienhäusern belastet werden (in Einzelfällen bis zu 100 Prozent). Das ist eine Folge der vom Bundesverfassungsgericht im Jahr 2018 angestoßenen Grundsteuerreform, die das Einheitswertverfahren für verfassungswidrig erklärte. Die Ergebnisse der neuen Berechnungsmethoden sorgen jetzt – nachdem die ersten Hochrechnungen da sind – teilweise für Entsetzen und erhebliche Diskussionen.

Allerdings muss man jeden Einzelfall betrachten, denn es gibt auch Gewinner auf der Seite der Wohneigentümer. So, wie Stefan Sander selbst, der mit seiner Familie in Hille-Neuenbaum wohnt, und im Jahr 2025 deutlich weniger Grundsteuer B abführen muss als 2024. Auch in Friedewalde wird es sicherlich Grundbesitzer geben, die von der Grundsteuerreform profitieren. In der vorliegenden Simulation bezahlen 186 Eigentümer von Geschäftsgrundstücken im gesamten Gebiet von Petershagen (29 Ortschaften) durchschnittlich nur noch 1.774 Euro Grundsteuer anstatt 3.784 Euro. Das ist weniger als die Hälfte. Dafür zahlen 4.644 Eigentümer von Einfamilienhäusern im Schnitt anstatt 430 Euro künftig 494 Euro Grundsteuer B. “Einfach ausgedrückt könnte man sagen, dass die Einfamilienhäuser künftig die Geschäftsgrundstücke sponsern”, fasst Sander zusammen.

In Friedewalde gibt es alles: Ein- und Zweifamilienhäuser, Geschäftsgrundstücke und landwirtschaftliche Betriebe. Foto: Jürgen Krüger

Grundsteuerwert, Steuermesszahl und Hebesatz

Zur Berechnung der Grundsteuer braucht es drei Faktoren: Grundsteuerwert, Steuermesszahl und Hebesatz. Alle Eigentümer von Grundbesitz in Deutschland mussten im Jahr 2022 eine Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwertes abgeben. Auch wenn die Berechnungen komplex sind, so hilft die Betrachtung der beiden Berechnungsverfahren weiter: Das Sachwertverfahren für Geschäftsgrundstücke und das Ertragswertverfahren für Wohnimmobilien. Hier stellt sich heraus, dass Geschäftsgrundstücke in der Regel deutlich geringer bewertet werden als Grundstücke mit Ein- und Zweifamilienhäusern. Das hat unter anderem damit zu tun, dass sich Geschäftsgrundstücke eher in Randlagen (Gewerbe- und Industriegebiete) mit geringeren Bodenrichtwerten befinden. Da sich das Land NRW dem sogenannten “Bundesmodell” angeschlossen hat, sind die im Grundsteuergesetz (Bundesgesetz) deklarierten Steuermesszahlen (0,31 Promille bei bebauten Grundstücken mit Wohnimmobilien; 0,34 Promille bei Geschäftsgrundstücken und 0,55 Promille für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft) anzuwenden. Grundsteuerwert multipliziert mit Steuermesszahl ergibt den sogenannten Grundsteuermessbetrag, auf den der Hebesatz angewendet wird.

Beispiel: Grundstück mit einem Zweifamilienhaus (Grundsteuerwert: 320.000 Euro) x 0,00031 (Steuermesszahl) = 100 (Grundsteuermessbetrag in Euro). Bei einem Hebesatz von 650 Prozent würde die Grundsteuer B in diesem Fall (100 x 6,5) 650 Euro pro Jahr betragen.

Petershagen folgt Empfehlung zur Aufkommensneutralität

Bei der Errechnung der neuen Hebesätze wird Kämmerer Stefan Sander so vorgehen, wie vom Land Nordrhein Westfalen empfohlen: aufkommensneutral. Das heißt, die neuen Hebeseätze werden so gestaltet, dass das Grundsteueraufkommen im Jahr 2025 in der Summe genauso hoch ist wie das Grundaufkommen im Jahr 2024. Das sind rund 5,4 Millionen Euro, wobei der weitaus größere Teil (5 Millionen Euro) aus der Grundsteuer B kommt. Eine Verpflichtung zur Aufkommensneutralität gebe es aber nicht. “Dafür gibt es weder ein Gesetz noch eine Vorschrift. Wir werden uns aber an die Empfehlung halten und uns nicht an der Grundsteuerreform bereichern”, verspricht Sander. Mit der Empfehlung zur Aufkommensneutralität soll eine versteckte Steuererhöhung verhindert werden. “Darüber hinaus gehende Anhebungen der Hebesätze müssten dann anders begündet sein als durch die Grundsteuerreform”, sagt Stefan Sander.

Kreativer Vorschlag aus Düsseldorf

Nachdem die Diskussion über die veränderte Statik in der Besteuerung von Grundbesitz Fahrt aufgenommen hat, kommen auch schon erste Ideen, wie sich die Unwucht noch beheben ließe. So schlägt der NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) vor, den Kommunen über eine Öffnungsklausel die Möglichkeit zu geben, eigenständig in die Gestaltung der Grundsteuer eingreifen zu können: und zwar durch unterschiedliche Hebesätze für Gewerbe- und Wohneigentum. “Dann müssten wir die Grundsteuer B aufsplitten in B1 und B2 zum Beispiel”, erklärt Stefan Sander. Doch dafür fehle es bislang an so gut wie allem. “Es müssten erst die gesetzlichen Vorgaben geschaffen werden. Wir bräuchten zudem eine ganz neue Software und vermutlich auch mehr Personal”, warnt Sander.

Der Kämmerer der Stadt Petershagen möchte auf keinen Fall den schwarzen Peter zugeschoben bekommen, und viele seiner Kollegen wahrscheinlich auch nicht. Stattdessen spielt er den Ball zurück und empfiehlt, dass das Land NRW die Steuermesszahlen anpasst. Aber: Sollte es dazu kommen, müssten die bereits aus- und zugestellten Bescheide wieder einkassiert und neu erstellt werden. Diesen Aufwand wird das NRW-Finanzmistierum wohl versuchen zu vermeiden.

Die Landesregierung würde mit ihrem Vorschlag das Problem auf die Kommunen, sprich Kämmerer, verlagern. “Die Widersprüche landen dann bei mir und nicht beim Finanzamt”, erklärt Sander eine der Folgen. Auch der Städte- und Gemeindebund wehrt sich dagegen. “Dass das Land die Unwucht bei der Grundsteuer angeht, ist im Grundsatz richtig, die Kommunen haben es seit zwei Jahren gefordert. Nun aber die Aufgabe den Städten und Gemeinden zuzuweisen, kommt völlig überraschend und viel zu spät”, wird Christof Sommer, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes NRW, in einem Beitrag des Westdeutschen Rundfunks zitiert. Das Thema wird in den kommenden Wochen und Monaten noch für reichlich Diskussionsstoff sorgen.

Landwirte doppelt belastet

Für viele Land- und Forstwirte kommt es knüppeldick, denn sie werden doppelt belastet. Ihr Wohneigentum auf der Haus- und Hoffläche wird nicht nur neu bewertet, sondern es wird künftig nicht mehr der Grundsteuer A, sondern der Grundsteuer B unterliegen. Allein dadurch erhöht sich der Hebesatz in Friedewalde und Petershagen von 300 Prozent auf 550 Prozent für diesen Teil des Grundbesitzes. Hinzu kommt die zu erwartende Erhöhung der Hebesätze. In Einzelfällen können beide Effekte dazu führen, dass sich die Grundsteuerlast dür Forst- und Landwirte im Jahr 2025 verdoppelt.

Bis 2027 keine Steuererhöhungen geplant

Die Grundsteuer ist, genauso wie die Gewerbesteurer, eine sogenannte “direkte Steuer”, die vollumfänglich in den Kassen der Kommunen landet. Bei einem Finanzvolumen von rund 60 Millionen Euro hat das Grundsteueraufkommen von fünf Millionen Euro für die Stadt Petershagen eine “große Bedeutung”, wie Kämmerer Stefan Sander sagt. Zumal die Kreisumlage bei rund 20 Millionen Euro liegt und die Personalkosten bei rund 11 Millionen Euro. “Da ist die Hälfte des Gesamtvolumens schon weg”, sagt Sander. Theoretisch könnte die Stadt Petershagen auch auf die Erhöhung der Hebesätze verzichten, doch dann “würden mir rund eine Million Euro fehlen”, wie der Hiller prognositiziert und dieser Idee eine Absage erteilt. Zum Schluss hat der Kämmerer aber noch eine positive Nachricht: “Wir wollen bis 2027 auf Steuererhöhungen verzichten.”

Zur Person

Stefan Sander (58) stammt aus Barkhausen. Bei der Stadt Porta Westfalica nahm er 1981 seine Beamtenlaufbahn auf, wo er sich für den gehobenen Dienst qualifizierte. 1994 wechselte er zur Stadt Bad Oeynhausen. Von dort aus besuchte der dreifache Familienvater die Verwaltungsakademie in Detmold, bevor er 2003 zum Kommunalen Rechenzentrum in Lemgo wechselte und dort die Veranlagungssoftware mit entwickelte, die heute im Einsatz ist. Seit 1. Juni 2021 ist er Kämmerer der Stadt Petershagen, Mitglied des Verwaltungsvorstands und Amtsleiter für Finanzen und Immobilien.

Link zum aktuellen und interaktiven Doppelhaushalt 2023/24 der Stadt Petershagen