Heinrich Wehking und die sechs Gräber

Lebt heute in Bad Oeynhausen: Heinrich Wehking, der 1935 in Wegholm geboren wurde. Hinter seinem Elternhaus befindet sich der private Friedhof, den sein Urgroßvater Heinrich (geboren 1835) im Jahr 1910 angelegt hat. Foto: Jürgen Krüger

Friedewalde. Pfarrer Thomas Salberg und Ortsbürgermeisterin Jessica König verfolgen die Idee eines historisches Friedhofspfades. Dabei hatten sie sicherlich im Wesentlichen den Alten Friedhof und den Neuen Friedhof im Sinn. Unser Dorf hat aber noch einen Friedhof, den privaten Friedhof in Wegholm. Warum es diesen Friedhof gibt und wer dort begraben ist, weiß niemand besser als der ehemalige Friedewalder Ortsvorsteher Heinrich Wehking. Denn es ist die Grabstätte seiner Familie.

Heinrich Wehking erzählt im Audio auf Plattdeutsch die Geschichte des Friedhofes seiner Familie in Wegholm.

Sechs Gräber

Heinrich Wehking wurde 1935 in Friedewalde-Wegholm geboren. Der 87-Jährige lebt aber mittlerweile seit 25 Jahren in Bad Oeynhausen. Er kennt die Geschichte des kleinen Friedhofes auf dem Feld hinter seinem Elternhaus, denn ist der Friedhof seiner Familie. Sechs Gräber befinden sich dort: das der Urgroßeltern, der Großeltern, der Eltern, des Bruders, und die Gräber zweier Großtanten (Töchter der Urgroßeltern). Mehrmals im Jahr besucht Heinrich Wehking den kleinen, privaten Friedhof und pflegt zumindest das Grab seiner Eltern. Sein Bruder Friedel, der in Düsseldorf lebt und in diesem Jahr (2023) 80 Jahre alt wird, hat sich vor zehn Jahren bei der Stadt Petershagen eine Verlängerung der Genehmigung besorgt. Er möchte hier noch bestattet werden. Heinrich Wehking nicht. “Mein Vater hat mich 1965 vom Hof gejagt. Da war ich 30 Jahre alt und hatte drei kleine Kinder. Ich möchte nicht dorthin zurück. Meine Tochter Antje, die in Hartum lebt, möchte mich nach meinem Tod bei sich haben. Ich werde also in Hartum beerdigt. Das ist alles schon geregelt”, sagt Heinrich Wehking.

Klein, aber fein: Der private Friedhof der Familie Wehking in Wegholm. Im Hintergrund sind die Firmengebäude von Jenz zu sehen. Foto: Jürgen Krüger

Sein Urgroßvater Heinrich, exakt 100 Jahre vor ihm geboren (1835), hat den privaten Friedhof im Jahr 1910 angelegt. Den Antrag dazu reichte er bei der Verwaltung des Königreichs Preußens in Berlin ein, mit der Begründung, der Weg von Wegholm zum alten Friedhof nach Friedewalde (ca. 3,5 Kilometer) sei zu weit und damit unzumutbar. “Früher wurden die Verstorbenen zunächst auf der Diele ausgesegnet und dann mit Pferd und Wagen zum Friedhof gefahren. Die Trauergemeinde marschierte zu Fuß mit. Nach der Beerdigung ging es zu Fuß wieder zurück nach Wegholm zum Kaffeetrinken. Die preußische Regierung folgte der Argumentation meines Urgroßvaters und genehmigte die Errichtung des Friedhofs”, sagt Heinrich Wehking.

Blick hinein: Rechts hinter dem Baum ist die Grabstätte von Heinrich Wehkings Großeltern zu sehen, noch weiter rechts das Grab seiner Eltern. In der Mitte steht ein kleines Denkmal mit der Inschrift aus der Offenbarung des Johannes 14, Vers 13: Christus ist die Auferstehung und das Leben. Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben von nun an. Ja der Geist spricht, dass sie ruhen von ihrer Arbeit: denn ihre Werke folgen ihnen nach. Foto: Jürgen Krüger

Dass das aber nur die halbe Wahrheit gewesen sei, habe ihm seine Großmutter Karoline verraten. “Früher lag der alte Friedhof in Friedewalde tiefer. Und immer dann, wenn ein Grab ausgehoben wurde, lief es halb voll mit Wasser. Und mein Urgroßvater wollte nicht im Wasser liegen. So hat es mir meine Oma erzählt”, sagt Heinrich Wehking. Zur Tragödie wird die Geschichte, weil nur sieben Jahre nach Anlage des Friedhofs das erste Grab ausgehoben wurde. Seine Urgroßmutter Christine Wehking, geborene Wittig, starb am 24. Februar 1917 im Alter von 80 Jahren. Urgroßvater Heinrich folgte seiner Frau sieben Jahre später im Alter von 89 Jahren.

Blick in Richtung Norden: In den drei Gräbern links sind beerdigt der Bruder (Wilhelm) von Heinrich Wehking sowie die beiden Großtanten und ihre Ehemänner. Rechts hinter den Bäumen (nicht zu sehen) sind die Gräber seiner Urgroßeltern, Großeltern und Eltern. Foto: Jürgen Krüger

Die Urgroßeltern von Heinrich Wehking hatten sechs Kinder: drei Mädchen und drei Jungen. Der älteste Sohn, der auch Heinrich heißt, musste auf Druck seines Vaters nach Amerika auswandern, um dort sein Glück zu versuchen. Er wurde in Amerika Pastor. “Und hat nie wieder mit seinem Vater gesprochen”, sagt Heinrich Wehking. Die Grabstätte in Iowa hat Heinrich Wehking schon dreimal besucht. Es gibt ein Foto, wo Heinrich Wehking hinter dem Grab seines Großonkels Heinrich Wehking steht. “Das ist schon ein komisches Gefühl, am Grabstein mit seinem eigenen Namen zu stehen”, gibt Heinrich Wehking zu.

Die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Heinrich Wehking holte seinen Bruder Christian ebenfalls nach Amerika – und auch er wurde Pastor. Und zuletzt wanderte noch eine Schwester nach Amerika aus und heiratete den Kantor in der Kirchengemeinde ihres ältesten Bruders Heinrich. Die anderen beiden Töchter des Urgroßvaters, Christina Richter (geborene Wehking) und Marie Kütemeyer (geborene Wehking), sind beide auf dem privaten Friedhof in Wegholm beerdigt, genauso wie der zweitgeborene Sohn Friedrich, der der Großvater von Heinrich Wehking ist.

Grabstätten

Das Grab der Urgroßeltern von Heinrich Wehking: Christine Wehking, geborene Wittig, und Heinrich Wehking. Er hat den Friedhof im Jahr 1910 angelegt. Foto: Jürgen Krüger
Das Grab der Großeltern von Heinrich Wehking: Friedrich Wehking und Karoline Wehking, geborene Kruse. Foto: Jürgen Krüger
Das Grab der Eltern von Heinrich Wehking: Heinrich Wehking und Marie Wehking, geborene Stelze. Foto: Jürgen Krüger
Das Grab der Großtante von Heinrich Wehking: Christine Richter, geborene Wehking, und ihr Ehemann Dr. August Richter. Foto: Jürgen Krüger
Das Grab der Großtante von Heinrich Wehking: Marie Kütemeyer, geborene Wehking, und ihr Ehemann Wilhelm Kütemeyer. Foto: Jürgen Krüger
Das Foto des Grabsteines von Wilhelm Wehking, mit 52 Jahren verstorbener Bruder von Heinrich Wehking, dürfen wir aus rechtlichen Gründen nicht zeigen.